1. SONNTAG im Jahreskreis

DIE TAUFE JESU

  Das Markusevangelium, aus dem wir in diesem neuen Jahr die meisten Evangeliumstexte hören werden, kennt keine Kindheitsgeschichte, wie das Lukas- und Matthäusevangelium. Markus beginnt sein Evangelium mit der Gestalt des Johannes des Täufers. Und Jesus ist schon ein erwachsener Mann, der bei seiner Taufe im Jordan eine grundlegende Gotteserfahrung erlebt: „Als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“. So fasst der Evangelist Markus zusammen, wie er Jesus von Nazareth sieht und was er für ihn bedeutet.

Wir können diese Szene auch die Berufungsgeschichte von Jesus nennen. In einer damals üblichen Symbolsprache erzählt der Evangelist Markus die Berufungserfahrung von Jesus wie er und seine christliche Gemeinde diese - ca 40 Jahre später - versteht: Jesus fühlt sich bei seiner Taufe von Gott gesandt. Er hat seine eigene Berufung gefunden. Ihm ist bewusst geworden, wer er ist und was seine Aufgabe ist, wozu Gott ihn beruft. Bildlich gesprochen: Der Himmel hat sich geöffnet.

Gott ist - durch Jesus - auf die Menschheit zugekommen. Jesus spürt, er lebt in einer innigen, intimen Beziehung und Verbundenheit mit Gott. „Ich und der Vater sind eins.“ - „Wer mich sieht, sieht den Vater“, heißt es im Johannesevangelium. Diese Beziehung ist so tief, dass man sagen kann: In allem, was Jesus sagt und tut, hören und sehen, spüren wir die Liebe dieses Gottes, dieses Vaters. Hiermit hat der Evangelist Markus gesagt, wer Jesus für ihn und für seine christliche Gemeinde ist: Der von Gott Gesandte, in dem Gott seine Zuneigung zu den Menschen ausdrückt und erfahrbar macht.

Das ist dann auch mit dem Bild: „Sohn Gottes“ gemeint: Es will die Art von Beziehung zwischen Jesus und Gott umschreiben - ein inniges, intimes Verhältnis zwischen Gott und Jesus. Gott betrachtet Jesus wie ein Vater seinen Sohn. Jesus sieht Gott wie ein Sohn seinen Vater betrachtet. Dieses Bild wird übrigens auch im Alten Testament für das ganze Volk verwendet, das „Sohn Gottes“ genannt wird. Und bei der Einsetzung eines Thronfolgers verwendet das Alte Testament den Ausdruck: Der König ist jetzt der „Sohn Gottes“. Auch am Berg Tabor, in der Szene der Verklärung Jesu, heißt es: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.“

Und dann sagt Johannes der Täufer: "Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen". Wir sind mit Wasser getauft, als Baby. Aber das ist an uns geschehen, ohne unser Bewusstsein. Das hatte in dem Augenblick mehr Bedeutung für unsere Eltern, die damit zum Ausdruck bringen wollten: Unser Kind soll christlich, d.h. zu Jesus-Christus-gehörend aufwachsen.

Das geschieht jedes Mal, wenn wir uns durch Gott angesprochen fühlen, seine Geisteskraft in uns spüren - eine Kraft, die unser Herz berührt, durchdringt, von unserem Herzen Besitz ergreift, von innen her verwandelt, sodass es für Gott schlägt. Dann wird auch in uns die Empfindung und das Bewusstsein Schritt für Schritt lebendiger: Ich bin Sohn/Tochter Gottes, von ihm geliebt und angenommen. Seine Geisteskraft strömt auch in mir.

Dies ist ein lebenslanger Wachstumsprozess, der jedes Mal geschieht, wenn wir uns mit Jesus einlassen, mit ihm immer mehr vertraut werden, uns von Jesus „eintauchen“, „untertauchen“ lassen in den Bereich Gottes. Jedes Mal, wenn wir zu Gott, als unseren Vater sprechen. Dann werden wir immer mehr „Kinder Gottes“, Söhne und Töchter Gottes, indem wir ihn immer mehr als unseren „Vater“ betrachten, bei dem wir eine letzte Geborgenheit finden.

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